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Zur Pathogenese der Hirnschwellung

Zugleich ein Beitrag zur Frage der katalysierenden Wirkung des Hirngewebes auf Polymerisationsvorgänge

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Zusammenfassung

Läßt man Acrylamid in monomerer Form in das Hirngewebe hineindiffundieren und bringt es dann zur Polymerisation, so erhält das Gehirn hinsichtlich seiner Konsistenz und Schnittfähigkeit die bekannten Merkmale der Hirnschwellung.

An Hand von Modellversuchen an in Acrylamidlösung eingelegten Mäusegehirnen und in Acrylamidlösung hergestellten Hirngewebssuspensionen wird gezeigt, daß es sich bei der Verfestigung des Gehirns im Sinne der Hirnschwellung nach Durchtränkung desselben mit Acrylamidlösung ohne Zusatz hirnfremder Katalysatoren um einen Polymerisationsvorgang handelt, der durch gewebseigene Katalysatoren bei Körperwärme (37°) in Gang gesetzt wird.

Aus den Versuchen ergeben sich Anhaltspunkte, daß auch im Hirngewebe bei der Entstehung der Hirnschwellung katalysierende Substanzen oxydierender und reduzierender Wirkung, eventuell im Sinne eines speziellen Redoxsystems, den Polymerisationsvorgang auslösen, wobei auf Grund der Versuche einem erhöhten Reduktionspotential besondere Bedeutung beigemessen wird.

Zur Polymerisation neigende chemische Substanzen ungesättigten Charakters kommen intermediär sowohl im Lipoidstoffwechsel des Gehirns als ungesättigte Fettspaltungsprodukte als auch als ungesättigte Spaltprodukte des Eiweiβstoffwechsels vor. Zu diesen hat das für den Modellversuch gewählte Acrylamid enge chemische Beziehungen.

Infolge der beim Polymerisationsvorgang stattfindenden Umwandlung aus einem flüssigen in einen festen Zustand kann es offenbar im Rahmen der Entwicklung einer Hirnschwellung auch zu einer Ansammlung derartiger Substanzen im Hirngewebe kommen.

Es wird darauf hingewiesen, daß außer durch Polymerisationsvorgänge eine Verfestigung des Gehirns auch durch Bildung hochmolekularer Körper im Rahmen von Polykondensationsvorgängen erfolgen kann.

Hochpolymere Substanzen im festen Zustand vom Typ des Polyacrylamids neigen in wäßrigem Milieu unter Erhaltenbleiben ihrer äußeren Form zu unbegrenzter Quellung, welche, soweit es sich um vernetzte Hochpolymere handelt, von deren Vernetzungsgrad abhängt. Die sogenannten „Übergänge“ der Klinik zwischen Hirnschwellung und Hirnödem können sich aus dieser Quellungsneigung eines einmal gebildeten Polymerisats vom Typ des Polyacrylamids zwanglos herleiten, wobei aber hervorzuheben ist, daß auf Grund der aus den Versuchsergebnissen gewonnenen Vorstellung die Hirnschwellung Reichardts ihrem Wesen nach als Polymerisationsvorgang gedeutet und der zur Hirnschwellung führende Vorgang vom Hirnödem getrennt wird.

Die sich aus den Versuchen ergebenden Beobachtungen begründen ganz allgemein die Vorstellung, daß es sich bei der Hirnschwellung um einen Vorgang handelt, der zur Bildung hochmolekularer, mehr oder weniger vernetzter, gegebenenfalls auch stark quellbarer Substanzen führt.

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Herrn Prof. Dr. Martin Reichardt, dem Begründer der Lehre von der Hirnschwellung gewidmet.

Nach einem am 28. September 1951 auf der Tagung der Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater in Stuttgart gehaltenen Vortrag.

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Wilke, G. Zur Pathogenese der Hirnschwellung. Archiv für Psychiatrie und Zeitschrift Neurologie 187, 424–434 (1952). https://doi.org/10.1007/BF00345548

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