ISSN:
1432-1076
Source:
Springer Online Journal Archives 1860-2000
Topics:
Medicine
Notes:
Zusammenfassung 1. Oligophrenie wurde bisher als ein obligates Symptom der Phenylketonurie betrachtet. Sehr selten wurden Phenylketonuriker mit einem höheren oder gar normalen Intelligenzquotienten (I. Q.) beschrieben. 2. Ein 5jähriges phenylketonurisches Mädchen mit einem normalen I. Q. von 0,91 wurde einer idiotischen 4jährigen Patientin mit einem E. Q. von 0,23 bei identischen Untersuchungsbedingungen gegenübergestellt. 3. Trotz der massiven Intelligenzdifferenz waren die Plasmaspiegel für Phenylalanin, Tyrosin, Tryptophan und Alphaaminostickstoff sowie die Ausscheidung von Phenylalanin und Phenylbrenztraubensäure im Urin pro Minute bei beiden Kindern praktisch gleich. Gewisse Unterschiede in der Phenol- und Indolkörperausscheidung lassen sich noch nicht werten. 4. Das Fehlen einer unmittelbaren Beziehung zwischen Intelligenzdefekt und den gefundenen biochemischen Abnormalitäten besagt noch nicht, daß keinerlei Kausalzusammenhang zwischen Oligophrenie und biochemischer Störung besteht. Nicht erfaßte Metaboliten, Antimetabolitenwirkung von individuell unterschiedlicher Empfindlichkeit und andere Faktoren mögen im Spiele sein und das frühkindliche Hirn schädigen. 5. Gegen eine lediglich gekoppelte Vererbung zweier sonst selbständiger Störungen und für einen echten Kausalzusammenhang sprechen a) die Beeinflussung des Schwachsinns durch eine phenylalaninarme Diät, b) die besondere Prägung des Schwachsinns und c) die obligaten extrapyramidalen Störungen. 6. Bei der patientin mit normalem I. Q. ergaben spezielle Tests (Münchener Schulreifetest, Bender-Gestalt-Test u. a.) dissoziierte intellektuelle Ausfälle, die für eine hirnorganische Genese sprechen. Phenylketonuriker mit relativ guterhaltener Intelligenz bieten besonders günstige Bedingungen, den geistigen Defekt dieser Krankheit vom gewöhnlichen “endogenen” Schwachsinn abzugrenzen. 7. Die Beobachtung eines normalen I. Q. bei der Phenylketonurie erhebt die Frage nach der Häufigkeit dieses Vorkommens unter der Gesamtbevölkerung und unter unauffälligen Mitgliedern befallener Sippen. Sie mahnt zur Vorsicht in der Beurteilung normaler Entwicklung bei frühzeitigem Therapiebeginn mit phenylalaninarmer Diät.
Type of Medium:
Electronic Resource
URL:
http://dx.doi.org/10.1007/BF00438373
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